Freitag, Oktober 14, 2016

Hauchdünn am WM-Titel vorbei! Backgammon bei den Reichen und Schönen in Monte Carlo

Irgendwann Mitte April flatterte eine Mail in mein Postfach mit einer Einladung zu der Ende Juli in Monte Carlo stattfindenden Backgammon-Weltmeisterschaft. Irgendwie schien meine E-Mail Adresse noch im Verteiler zu sein, da ich dort vor 10 Jahren bereits überaus erfolglos  zwei Jahre in Serie teilgenommen habe. Da eine Reise zu den Poker-Weltmeisterschaften nach Las Vegas für mich in diesem Jahr zu 100% nicht zur Debatte stand, war dies doch vielleicht eine nette Alternative!? Ich fing an mich dafür interessieren und einen Versuch ins Auge zu fassen!
Übernachtungen im Fairmont-Hotel, dort wo das Turnier jedes Jahr ausgetragen wird, kamen für mich aufgrund des Bauchschmerzen erzeugenden Preises von 330,- € pro Nacht (ohne Frühstück!) definitiv nicht in Frage. Und somit machte ich mich bei AIRBNB, wo man Unterkünfte von bzw. bei Privatleuten buchen kann, auf die Suche nach einem geeigneten Apartment. Und ich wurde auch recht schnell fündig. Klein, aber fein und nach Aussage des Studio-Besitzers lediglich 10 Gehminuten vom Fairmont-Hotel entfernt. Mit einem Preis von knapp über 80 € pro Nacht nach Monaco-Standard sogar sehr preisgünstig. Wieso die Übernachtungen dort so günstig waren, das sollte ich spätestens nach der ersten Nacht wissen…aber dazu später mehr.
Statt im feudalen Fairmont-Hotel wählte ich ein Sauna-Studio!
Ende Juli ging es dann mit dem Flieger nach Nizza und von dort aus mit dem Bus weiter ins Fürstentum. Der französische Busfahrer muss früher Formel-1 Fahrer gewesen sein und fuhr die recht engen Bergstraßen – nach rechts ging es teilweise mehr als 100 Meter den Abhang herunter – in einem Tempo, dass mir teilweise sehr mulmig wurde. Aber er brachte uns sicher zum Zielort und er war dann sogar so nett, mich direkt zu meinem angemieteten Apartment zu fahren. Wow…der netteste Franzose, der mit im Laufe meines Lebens begegnet ist! Mein kleines neues Zuhause für die die nächsten 9 Tage lag im 5. Stock eines sehr alten Gebäudes, war ungefähr 9 m² groß mit einem kleinen Extraraum für Toilette und Dusche.

Im Laufe der Turnierwoche fanden mehrere verschiedene Events statt und neben dem WM-Turnier stand auch die Monte Carlo Open auf meiner ToDo-Liste. Ideal als Warm-Up geeignet. Es ging auch recht gut los, denn gleich im ersten Match schlug ich einen italienischen Spitzenspieler mit 7:2. Es ging also exakt so weiter wie ich in meinen Trainingsmatches im heimischen Ostwestfalen aufgehört hatte. Ich hatte alles weggeputzt, strotzte vor Selbstbewusstsein und derjenige, der mich am Backgammon-Board schlagen sollte, musste erstmal kommen!

Auch mein zweites Match dauerte nicht sehr lang. Hier musste ein Schwede dran glauben. Im dritten Duell traf ich dann auf den ebenfalls noch ungeschlagenen US-Amerikaner Martin De Bruin. Martin ist 86 Jahre alt und hat in seinem Leben vermutlich mehr Backgammon-Matches gespielt als ich Pokerhände, ein sehr erfahrener Spieler. Gleich nach den ersten gespielten Zügen merkte ich jedoch, dass er der bis zu diesem Zeitpunkt schwächste Gegner war. Er übersah einfach etliche gute Züge. Ein weiterer Sieg war im Kopf also bereits auf der Habenseite gebucht und ich ertappte mich hin und wieder dabei, wie ich am Nachbartisch bereits das Match der beiden potentiellen Gegner für die nächste Runde beobachtete.

Beim Backgammon jedoch ist es ähnlich wie beim Pokern! Jeder kann jeden schlagen und selbst Fedor Holz kann gegen jeden x-beliebigen Pokerspieler 3 Matches nacheinander verlieren. Der Glücksfaktor wird nie unter 20-30% gehen. Beim Backgammon ist es wirklich absolut identisch. Wenn du ab und an und vor allen Dingen zum richtigen Zeitpunkt einen Jokerwurf raushaust, dann schlägt dich kein Mensch auf diesem Globus! Tja…und ihr ahnt, was mir in diesem Match passiert ist. Ich bekam gegen den 86-Jährigen Grand Senior des Backgammons kein Bein an die Erde und Martin fegte mich mit 7:0 von der Platte! Hauptrunde ade, ich landete in der Trostrunde. Hier gewann ich dann zwar nochmals zwei Matches, musste aber eine Runde vor Erreichen des Preisgeldes die Segel streichen. Alles in allem jedoch ein solider Start in die Woche mit 4 Siegen aus 6 Partien!

Einen Tag später dann der Start der Weltmeisterschaft. In Runde 1 wurde mir ein Armenier zugelost. Obwohl...eigentlich waren es drei Armenier! Denn mein Gegner brachte gleich zwei Bodyguards mit an den Backgammon-Tisch! Selbst der Kleinere der beiden "Boardsteher" überragte mich noch um anderthalb Köpfe (beide übrigens breit wie Kleiderschränke). Die beiden wichen zu keiner Zeit von unserem Board ab. Irgendwie schien mein Gegner also eine Menge Kohle zu haben oder vor irgendwas Angst zu haben. Aber weder die Bodyguards wie auch erst Recht mein Gegner konnte mich beeindrucken oder verunsichern. Ich kannte keine Gnade mit dem Millionär und fegte ihn 11:6 vom Board. In Runde 2 saß mir dann ein in Frankreich lebender Deutscher gegenüber. Er schien in jedem Fall spielstärker zu sein als der Armenier aus Runde 1. So musste ich über die volle Distanz gehen um letztendlich per DMP (Doppelmatchpoint) und knapp mit 11:9 in die dritte Runde einzuziehen.

Der erste Tag war somit absolut nach Plan gelaufen und am Abend ging es zurück in mein schnuckeliges Apartment. Schnuckelig warm war es zumindest angesichts der nicht vorhanden Klimaanlage. Ziemlich fahrlässig in Südfrankreich! Wenn es tagsüber wochenlang konstant 35 Grad und mehr ist und das Fenster zudem auch noch zur Sonnenseite ausgerichtet ist, dann kann man sich vielleicht ansatzweise vorstellen, wie pervers die Luft in der Bude war. Ein Problem kam on Top noch hinzu. Ich konnte das Fenster auch nachts/morgens nicht öffnen, da mehrmals am Tag Zig Hundert Schwalben in dem Luftkorridor vor dem Gebäude ihre Kreise zogen und manche halt nicht rechtzeitig die Kurve bekamen. Direkt am ersten Tag hatte ich bei geöffnetem Fenster gleich mehrere Schwalben in meinem Zimmer. Selbst, als ich das Fenster nachts nur einen ganz kleinen Hauch geöffnet ließ (normaler Weise nicht mal für einen Kolibri breit genug!), wurde ich am nächsten Morgen durch das Gezwitscher einer Schwalbe geweckt, die den Weg durch den Minispalt fand und in meinem Zimmer an einem Vorhang hing . Sie hatte vor Angst bereits fast alles “zugeschissen“, bevor ich wach wurde! Oh man…wie sollte ich es nur weitere 8 lange Nächte in dieser Mischung aus Sauna und Zoo aushalten ohne komplett durchzudrehen? Na ja, wie ihr seht habe ich es zumindest überlebt. Aber es war schon heftig und der recht günstige Studio-Preis mehr als gerechtfertigt. Für das nächste Jahr habe ich allerdings von einigen anderen Teilnehmern recht gute Tipps bekommen, wo man in Monte Carlo wesentlich besser und noch preisgünstiger wohnen kann! Wer von den Pokerspielern, die diesen Blog lesen, im kommenden Jahr planen sollte nach Monte Carlo zu reisen, kann sich gern mit mir in Verbindung setzen. Und wer in Monaco mal günstig Urlaub machen möchte, ist natürlich ebenfalls herzlich eingeladen, mich zu kontaktieren! Es gibt unweit des Monte Carlo Bay Resorts erstklassige und überaus preiswerte Unterkünfte!

An Tag zwei stand zunächst mein Drittrundenduell gegen die Russin Juliya Gromenkova auf dem Programm. Ich hatte mich im Vorfeld per Internet ein wenig schlau gemacht und wusste, dass Juliya bereits etliche Lady-Events bei diversen größeren Turnierserien gewonnen hatte. Ich durfte sie also auf keinen Fall unterschätzen! Das Match lief alles andere als gut für mich an und die attraktive Russin zeigte mir meine Grenzen auf. Schnell lag ich 7:4 (alle Matches auf 11 Punkte) im Rückstand und es roch sehr stark nach meiner ersten Niederlage. Mit etwas Glück jedoch fand ich nicht nur ins Match zurück, sondern konnte es ausgleichen und letztendlich mit 11:8 die Oberhand behalten! 

Es liegt was in der Luft! Meine Achtelfinalpaarung gegen die Russin Juliya Gromenkova

Ich stand im Viertelfinale und zum ersten Mal kam mir der leise Gedanke, dass ich mittlerweile ja gar nicht mehr so weit von der Erfüllung (m) eines großen Traumes – irgendwann einmal in irgendwas Weltmeister zu sein – entfernt war! Das, was ich von den im Event verbliebenen Teilnehmern sah, flößte mir ebenfalls nicht wirklich Angst ein und alles, was ich nun lediglich benötigen würde, war ein wenig Unterstützung von ganz oben …vom Würfelgott! 

Mein nächster Gegner jedoch war ein harter Brocken – die Nr. 1 der italienischen Rangliste. Einer der Turnierdirektoren, der mich kurioserweise vom Poker kannte, sagte mir, dass der Italiener der absolute TOP-Favorit unter den verbliebenen Teilnehmern sei und ich somit leider das schwerste Los im Viertelfinale gezogen hatte! Ich möchte es jetzt mal genauso unspektakulär beschreiben, wie die Partie sich auch wirklich zugetragen hat. Der Tifosi hatte nicht den Hauch einer Chance gegen mich! Er bekam keinen Fuß an die Erde und ehe das Match angefangen hatte, so war es auch fast schon wieder vorbei! Mit 11:2 hatte ich gewonnen und ihn regelrecht überrannt. Mit diesem Erfolg stand ich nun ungeschlagen im Halbfinale des Hauptfeldes...lediglich 3 Siege vom Weltmeistertitel entfernt! Mit mir ein Däne, ein weiterer Deutscher sowie der Brite Stephen Chidwick, den sicher die meisten der Pokerenthusiasten unter den Lesern dieses Blogs auch von vielen Poker-Livestreams kennen. Ihn hatte ich zuvor sicherlich bereits 20 Mal kommentiert. Nun könnte es unter Umständen zu einem WM-Finale zwischen ihm und mir kommen…!?

Tag 3 – das Halbfinale

Der Däne Lasse Danielsson sollte mein Gegner im Halbfinale sein. In Dänemark ist Backgammon extrem populär. Es gibt fast genauso viele Ligen beim Backgammon wie bei uns im Fußball. Und wer aus Dänemark zur Weltmeisterschaft reist, der würde definitiv auch schwer zu schlagen sein. Und dies sollte ich auch zu spüren bekommen!
Überaus kurios übrigen die Tatsache, dass mein Halbfinale zur exakt gleichen Zeit terminiert war wie die praktische Führerscheinprüfung meiner Tochter! Würden wir beide simultan unsere Prüfungen bestehen? Ihre Gegner waren der Straßenverkehr sowie ein Fahrprüfer, meiner ein unbequemes Nordlicht! Während bei meiner Tochter alles recht glatt lief und sie nach nicht einmal 30 Minuten Fahrtzeit „ihr Match“ gewann, so lief es bei mir alles andere als wunschgemäß an. Danielsson schien ein besseres Bündnis mit dem Würfelgott abgeschlossen zu haben und warf in den ersten Partien wirklich einen Jokerwurf nach dem anderen ab! 0:1, 0:2, 0:3 …ich sah kein Land! 0:4, 0:5, 0:6…irgendwas musste ganz dringend passieren! Ich nahm mein Time-Out und ging erst einmal an die frische Luft. Ich musste den Lauf meines Gegners unbedingt unterbrechen. In der Pause bekam ich dann nicht nur moralische Unterstützung von einigen Deutschen, sondern Götz Hildsberg gab mir zudem noch einige wichtige strategische Tipps mit auf den Weg. Vor allen Dingen aber teilte er mir mit, dass ich bei diesem Spielstand von nun an sehr aggressiv doppeln solle und nach einem TAKE des Gegners eben auch risikoreicher versuchen solle auf Gammon (doppelte Punktzahl) zu gambeln. Ich musste das RISIKO erhöhen! 

Gesagt getan! Gleich im ersten Match nach der Pause bot sich die Chance auf ein aggressives Doppel, nachdem der Däne zwei Fahrkarten in Serie schmiss. Ich zeigte ihm die 2, er nahm an und ich gewann die Partie GAMMON! Nur noch 4:6. Ich war wieder am Leben! Gleich in der Partie darauf eine fast ähnliche Situation. Auch hier nahm Lasse mein Doppel an. Und ich schlug ihn gleich nochmals GAMMON…Yes! Innerhalb von nicht einmal 10 Minuten drehte ich einen 0:6 Rückstand in eine 8:6 Führung. TIME-Out des Dänen!

Mein Halbfinale gegen den Dänen Lasse Danielsson (links neben
mir der Pokerprofi Stephen Chidwick) 
Anschließend lehnte ich zwei seiner Doppler ab und das Spiel stand unentschieden 8:8. Dann einen Punkt ich, einen Punkt er. Die Spannung konnte kaum größer sein, denn es stand 9:9. Das nächste Spiel würde entscheiden, denn bereits vor seinem zweiten Zug zeigte Danielsson mir sehr früh die Zwei. Ich nahm natürlich an. Wer würde der Gegner von Stephen Chidwick im Finale werden? Der Brite hatte seine Partie am Nachbarboard nämlich bereits gewonnen.

Der Däne zeigte nun Zauber-Backgammon. Jeder Wurf passte. Ich stand hoffnungslos vor dem Abgrund. Ich hatte aber zumindest noch einen Anker auf seinem 1er-Punkt und auch mein Timing war einigermaßen in Ordnung. Würde er noch einen Fehlwurf beim Rauswürfeln haben und mir eine Chance geben? Ich diesen dann auch treffen?
JA…er hatte noch Fehlwürfe. Zwei sogar. Zweimal in Serie hatte ich die Chance mit einer 2 einen gegnerischen Stein zu treffen und das Match noch zu meinen Gunsten zu drehen. Aber es sollte nicht sein. Ich traf nicht und der Däne zog ins WM-Finale ein. 

Ich hatte zwar noch eine Chance über die Trostrunde, aber hier lief dann alles gegen mich und von hier an (Konsolation sowie auch last Chance) verlor ich alle meine Paarungen. Ich wurde offiziell zwar WM-Sechster, aber ich kam nicht einmal ins Preisgeld. Zwar hatte ich mit einigen meiner Gegner noch private Deals zur finanziellen Absicherung abgeschlossen, so dass ich mein Startgeld wieder im Sack hatte, aber dennoch war es nicht das, was ich wollte!

Im nächsten Jahr wird es auf jeden Fall einen weiteren Angriff geben, denn die 9 Tage bei den Reichen und Schönen im fürstlichen Monte Carlo haben sehr viel Spaß gemacht. Und Nervenkitzel hatte ich auch reichlich.
Und irgendwann wird es auch mal was mit dem WM-Titel! Diesen gewann Stephen Chidwick dann sehr überzeugend. Er verlor in der Woche nicht ein einziges Match! Und dies, obwohl er vorher niemals LIVE an einem Backgammon-Board saß. Er hatte vorher nur Online gespielt und sich hier auch seine Skills angeeignet. Glückwunsch an den sympathischen Briten, mit dem ich zusammen dann auch noch seinen Sieg gefeiert habe! Übrigens sein erster Major-Titel, denn beim Pokern blieb ihm dieser trotz mehr als 6 Millionen Dollar an Turnierpreisgeldern bislang verwehrt! 
Verdienter Weltmeister: Stephen Chidwick (UK) 




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